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Vom drohenden Verlust der Macht

Endlich. Bundesanwalt Michael Lauber hat angekündigt, dass er der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung seinen Rücktritt anbieten werde. Der am Freitag bekannt gewordene Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Laubers Beschwerde gegen die Vorwürfe der Aufsichtsbehörde der Bundes-anwaltschaft so gut wie vollständig zurückzuweisen, liess ihm keine andere Wahl, wollte er sich nicht einem schmählichen Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sehen. Der Zusammensturz von Laubers Lügen-konstrukt betreffend seine nicht protokollierten Treffen mit FIFA-Chef Gianni Infantino und die Vorwürfe der schwerwiegenden Amts- und Treuepflichtverletzung wogen zu schwer. Aber Lauber wäre nicht Lauber, würde er nicht noch den Griff nach der Reissleine mit dem Versuch kaschieren, den Spiess umzudrehen. Wie wenn er derjenige wäre, der der Öffentlichkeit eine Gnade gewährte, spricht er nicht von Rücktritt, sondern von einem „Angebot“. Wie wenn er nicht dafür gesorgt hätte, dass im Zusammen-hang mit dem gescheiterten FIFA-Prozess die Bundesanwaltschaft im Ausland zur Lachnummer ver-kommen ist, will er jetzt „Schaden von der Institution abwenden“. Und wie wenn er noch die Macht dazu hätte, will er jetzt „die Modalitäten seines Rücktritts aushandeln“.

Das Thema, um das es hier geht, ist der drohende Verlust von Macht bei allgemein narzisstischer Befind-lichkeit des Betroffenen. Die Fehlleistungen, die unter solchen Umständen auftreten, sind eine häufig zu beobachtende Erscheinung, wenn sich die Karrieren von Politikern oder Politikerinnen dem Ende zuneigen (respektive, im Fall Laubers, von hohen Amtsträgern). Wenn die Überheblichkeit, zu welcher Macht verleiten kann, einhergeht mit dem Gefühl, über dem Recht zu stehen, dann ist das in einer Demokratie nicht tolerierbar. Wer es nicht schafft, Fehler zuzugeben, sondern sich in Ausreden, Erinnerungslücken oder – wie das neudeutsch heisst – „alternative Fakten“ flüchtet, setzt sich mittelfristig so starkem Druck der Institutionen und der Öffentlichkeit aus, dass das Scheitern unvermeidbar wird.

Der Rücktritt des schweizerischen Bundesanwalts ist nichts als eine Fussnote in der Rechtsgeschichte eines Kleinstaats. Wahrhaft fatal ist aber der Umstand, dass dieser Typus des hohen Würdenträgers, der mit drohendem Machtverlust nicht umgehen kann, die Politik unserer Zeit aufmischt. Donald Trump, das egomanischste Sicherheitsrisiko der Weltgemeinschaft, hat diesen Politikertypus salonfähig gemacht. Ja keinen Fehler zugeben, lügen, dass sich die Balken biegen, politisieren für die eigene Hausmacht und für all das den Begriff der Demokratie missbrauchen – das ist heute Usus. Um Trump herum scharen sich diese Rechtspopulisten wie die Duodezfürsten um den Sonnenköng, die Putins, Netanyahus, Bolsonaros, Höckes…

Im Laufe der letzten Woche hat Trump ein Fernsehinterview gegeben, und zwar dem Moderator von Fox NEWS Chris Wallace, wie immer in der Annahme, bei seinem Haussender könne schon nichts schief-gehen. Es kam anders. Wallace war aufsässig, liess nicht locker, konfrontierte Trump Mal für Mal mit un-bequemen Zahlen und nichtalternativen Fakten und rieb ihm immer wieder all seine Widersprüche unter die Nase. Am Schluss war der Präsident so entnervt, dass er für einmal sogar zu Lügen vergass. Auf die Frage, ob er denn im November eine Wahlniederlage akzeptieren würde, antwortete Trump, das wisse er noch nicht, man werde sehen.

Das lässt Böses ahnen. Mächtige, sich an die Macht klammernde Narzissten sind brandgefährlich. Helfen kann hier nur die Stärke der demokratischen Strukturen, die Unbestechlichkeit der Institutionen, die Gewaltenteilung, die starke Justiz und eine ebenso starke Presse. Seien wir froh darüber, wie der Fall Lauber letztlich ausgegangen ist.

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