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Mutter Teresa Trump

Donald Trump hat letzte Woche, also bereits im Juli, seine Weihnachtswunschliste um eine Position erweitert. Waren bis jetzt nur materialistische Kinderwünsche wie die Übernahme von Kanada, Grönland oder des Panama-Kanals darauf verzeichnet, so hat er neuerdings den tieferen Sinn von Weihnachten entdeckt und stösst jetzt ins Reich der immateriellen Güter vor. Donald Trump hätte er gerne den Friedensnobelpreis. Warum auch nicht! Barack Obama hat ihn schliesslich auch erhalten, kaum war er im Amt, obwohl niemand wirklich wusste, warum und wofür. Das war 2009. Das Komitee des Friedensnobelpreises gab damals etwas von "aussergewöhnlichen Bemühungen um eine Stärkung der internationalen Diplomatie und Zusammenarbeit zwischen den Völkern" zum Besten und betonte Obamas Bemühungen zur "Schaffung eines völlig neuen internationalen Klimas". Weiter äusserte sich das Komitee nicht; es hält ja seine Akten 50 Jahre unter Verschluss. Sicher ist sicher. Nicht dass noch jemand auf den Gedanken käme, es habe eine politische Einflussnahme gegeben. Das wäre ja noch!

Als sich Obama dann ins höchste Amt eingelebt hatte, nahmen wir in seiner Aussenpolitik vor allem die Neuerfindung der Drohnenkriege in Ländern wie Pakistan, Jemen, Somalia und Libyen wahr sowie die Luftangriffe auf Syrien, mitsamt des internationalen Chaos’, welche diese Attacken auslösten. Nämlich die Flüchtlingsströme. Aber diese schädigten ja nur Europa und fielen für die USA nicht ins Gewicht (es wäre interessant zu wissen, wieviel Kalkül aus amerikanischer Sicht hinsichtlich dieser Problematik dabei war… aber das wäre ein anderes Thema). Auch die gezielten Tötungen – unter anderem zum Schaden von Osama bin Laden – erfreuten sich unter Obama hoher Beliebtheit. Nur das Völkerrecht war kein Kriterium für das Friedensnobelpreiskomitee. So wenig wie 1973, als Henry Kissinger zum Handkuss kam.

Im Vergleich zu diesen US-Amerikanern aus der ersten Führungsetage nimmt sich die Vergabe des Friedensnobelpreises an den Lieblingsterroristen a.D. aus westlicher Sicht, Yassir Arafat, 1994 (nebst Jitzchak Rabin und Schimon Peres) durchaus plausibel aus, auch wenn damals halb Israel und der mit dem Zionismus verbundene Westen Zeter und Mordio schrien.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Der amerikanische Einfluss auf das Komitee ist grösser geworden, und man kann annehmen: auch aggressiver. Nicht mehr die Vorkämpfer für Unabhängigkeit und Menschenrechte aus dem Globalen Süden stehen im Fokus der Osloer Findungsgruppe, sondern die Nachsorger verblichener Grösse aus dem wilden Westen. Der Selbstbeweihräucherer Trump möchte sich ultimativ in die Rolle eines globalen Supermans erheben und sich zusätzlich der Menschheit als universellen Wohltäter in Erinnerung bringen (sollte er, wider Erwarten, je einmal sterben!). Aktuell hat er seinen Spezi Bibi Netanjahu – einen anderen ausgewiesenen Fachmann für Friedensförderung… – vorgeschickt, damit dieser seinen Herzenswunsch rechtzeitig beim Osloer Komitee deponiere. Natürlich zeigte sich Trump vollkommen überrascht, als Netanjahu bei seinem jüngsten Besuch in Washington im Rahmen einer Tischrede diesen Geheimplan präsentierte. Trump, der Vielschwafler, machte auf ahnungslos und kommentierte ziemlich einsilbig: «Wow!».

Aber als Fazit bleibt es dabei, dass Trump sich in einer Reihe sieht mit Lech Walesa (erhielt den Preis 1983), Desmond Tutu (1984), Michael Gorbatschow (1990), Nelson Mandela (1993) und Mutter Teresa, der «Missionarin der Nächstenliebe» (1979). Und nicht zu vergessen: mit einer Reihe von internationalen Institutionen, die sich um den Frieden ebenso verdient gemacht haben wie die genannten herausragenden Individuen. Wie etwa Amnesty International (1977), die «Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen» (1997) oder die «Médecins sans Frontières» (1999).

So kann man die Welt – und sich selbst in dieser Welt… – natürlich auch sehen. Donald Trump, der mit voller Kraft dabei ist, das System der westlichen Demokratie zu zerstören und sich als allmächtigen Autokraten an ihre Stelle zu schieben, schickt sich selbst an, seine Leistung mit der höchsten Auszeichnung zu würdigen, die auf dieser Welt zu erreichen ist. Mutter Teresa Trump. Freude herrscht!

Der Friedensnobelpreis wird jedes Jahr am Freitag der ersten vollen Oktoberwoche ausgerufen (das wäre dieses Jahr der 10. Oktober). Die feierliche Verleihung findet dann am 10. Dezember in Oslo statt, dem Todestag von Alfred Nobel.

Gewiss, die ganze Liste seiner Weihnachtswünsche wird hienieden von keinem Santa Claus abgearbeitet werden können. Kanada, Grönland und wohl auch den Panama-Kanal kann Onkel Donald sich abschminken. Aber angesichts der Tatsache, dass wir gegenwärtig in der aktuellen westlichen Politik bis zum Überdruss beobachten, wie sämtliche Staatschefs Trump jeden Wunsch von den Augen ablesen, um ihn ja nicht zu erzürnen und keinesfalls seinen Zoll-Groll zu erregen, haben wir die Befürchtung: Seinen immateriellen Wunsch kriegt er erfüllt. Der ist quasi gratis.

Wetten, am 10. Dezember steht Donald Trump als Missionar der Nächstenliebe in Oslo auf der Matte?

 
 
 

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