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Monroe (aber nicht Marilyn)

Wer den Clip gesehen hat, vergisst ihn nicht mehr: Marylin Monroe hauchte an John F. Kennedys 45. Geburtstag, am 29. Mai 1962, «Happy birthday, Mister President» ins Mikrophon, dass es dem Publikum noch heute kalt und heiss den Rücken hinunterläuft. Mehr Erotik geht nicht. Es wundert niemanden, dass Kennedy nach diesem Auftritt die Affäre beendete (respektive das Feld seinem Bruder überliess). Es ist anzunehmen, dass Jackie ihm anschliessend – im weitesten Sinn... – die «Monroe-Doktrin» erklärt hat.

Historiker des 19. Jahrhunderts gehen es weniger frivol an. Die Monroe-Doktrin – die ursprüngliche, die von 1823 – stand am Anfang einer Reihe von Dokumenten, mit welchen die USA der Welt ihren Standpunkt erklären. Macht damit, was ihr wollt, für uns gilt das veröffentlichte Wort; wenn ihr klug seid, gilt es auch für euch. Die Weltlage war damals, 1823, die folgende: In Europa hatte das Zeitalter der Restauration begonnen. Das französisch-revolutionäre Gedankengut und die napoleonischen Kriege waren in der Mitte Europas verpufft. Die Konservativen Mächte (Preussen, Österreich, Russland, England und das erneut bourbonische Frankreich) hatten das Zepter übernommen und versuchten, von der überlebten Privilegienwirtschaft von Adel und Klerus soviel ins 19. Jahrhundert zu retten, wie irgend möglich. Es gelang, Europa in entsprechendem Sinn für fast 50 Jahre zu befrieden – ein beträchtlicher Erfolg. Aber an der Peripherie Europas war der revolutionäre Funke noch nicht ausgetreten. Im Königreich Neapel rumorte es. Ein liberales Griechenland feierte seine Auferstehung. In Spanien versuchten liberale Kräfte, den absolutistisch regierenden König Ferdinand VII. vom Thron zu jagen. Französische Truppen eilten ihm zu Hilfe undnstellten die göttliche Ordnung wieder her. Was aber sollte mit dem spanischen Kolonialreich geschehen? Sollte es auch zurück unter das reaktionäre Joch? Südamerika war ein Pulverfass. Da kam den auf Absprung von ihren Kolonialherren bedachten Südamerikanern Nordamerika zu Hilfe: James Monroe, der 5. Präsident der Vereinigten Staaten, veröffentlichte folgende Botschaft: Wir werden uns nicht in eure europäischen Händel einmischen, und im Gegenzug lasst ihr bitteschön die Finger von Südamerika. Südamerika ist unser Hinterhof. Hier regieren wir.

Ende der Durchsage. Europa war klug genug, sich an diese Vorgabe der aufstrebenden Macht zu halten. Die USA gaben den Ton an, so bestimmt, dass der Monroe-Doktrin im Laufe der Jahrzehnte eine ganze Reihe weiterer Doktrinen folgte, mittels derer die USA erklärten, was Sache war in der Welt (2. «Monroe»-Doktrin von Theodore Roosevelt, Truman-Doktrin, Eisenhower-Doktrin, Nixon-Doktrin, Carter-Doktrin, Reagan-Doktrin…). Auffällig ist die Häufung in der Nachkriegsgeschichte nach 1945, und auffällig ist ebenso die Ausweitung des Geltungsbereiches, den die amerikanischen Präsidenten ihren Durchsagen andachten. Längst beschränkten die USA ihren Doktrinen-Radius nicht mehr auf Südamerika, sondern sie waren der Weltpolizist geworden.

Eine Rolle, die nicht ganz kostengünstig zu erfüllen war. Old Joe Biden, der in den 1960er-Jahren politisch sozialisiert wurde, konnte sich kein anderes Modell vorstellen und zog die Ukraine in einen mörderischen Krieg, um Russland zu schwächen (nach Südamerika ist jetzt auch Europa iunser Hinterhof). Donald Trump ist anderer Meinung. Er mag keine Kriege (das müssen wir ihm zugestehen!), schon gar keine teuren; er pflegt den Isolationismus. Die NATO interessiert ihn kaum; Europa noch weniger (einzig das Scharwänzeln der europäischen Regierungschefs möchte er nicht missen). Trump orientiert sich an dem, was er als «Deals» betrachtet. Wo ein solcher nicht in Aussicht steht, haut er den Lukas und die Freunde von ehedem gleich mit.

Wo aber ein Deal in Aussicht steht, rollt er gern den roten Teppich aus, wie für Wladimir Putin in Alaska.

Was die beiden wohl verhandelt haben? Dem aufmerksamen Betrachter der Weltpolitik fallen seit dem Alaska-Gipfel (16.8.2025) zwei Dinge auf: Die Bemühungen Trumps um einen Waffenstillstand in der Ukraine halten an, aber die Politik der USA gegenüber… Venezuela wird zusehends aggressiver. Venezuela? Kaum war der Alaska-Gipfel durch, schickte das Pentagon eine Kriegsflotte mit 4500 Marines in die karibischen Gewässer vor der venezolanischen Küste. Gleichzeitig wurde das Kopfgeld, das die USA auf Präsident Maduro ausgesetzt haben, von 25 auf 50 Millionen Dollar verdoppelt. Offizielle Begründung: Kampf gegen die Drogenmafia.

Wer’s glaubt. Venezuelas Bodenschätze – Eisen, Gold, Kohle, Bauxit, Nickel, Titan, Zink, Kupfer, Diamanten – gehören zu den wertvollsten der Welt. Und Venezuela verfügt über einen weiteren Vorteil: Die Korruption von Präsident Maduro ist so allumfassend, der Drogenexport so gigantisch und die Misswirtschaft so katastrophal, dass Venezuela kaum Freunde hat in der Welt. Die letzten waren die Russen… Sollte Maduro von der politischen Bildfläche verschwinden, so würde ihm kein Auge eine Träne nachweinen.

Sogar der Pannen-CIA ist diese günstige Konstellation aufgefallen. Wie damit umgehen? Man legt die Sache Freunden zum unverbindlichen Gedankenaustausch vor. Freunde sind die, die mächtig genug sind, um mit ihnen in Sachen «Deals» ins Gespräch zu kommen. Bei einem stehen die Vorzeichen besonders günstig: Wladimir Putin. Wetten, dass in Alaska nicht nur die Ukraine zur Sprache kam, sondern auch Venezuela? Ich lasse Dir – soweit möglich – freie Hand bei der Bewirtschaftung Deines ostukrainischen Handels – und Du mir in Venezuela. Na zdorov’ye, Wladimire!

Wohl verstanden: Das sind Spekulationen, aber solche, für die viele plausible Indizien sprechen. Falls sie richtig sind, ist das Bild vom Isolationismus der Trump-Regierung zu relativieren. Vielmehr gilt: zurück auf Feld 1 der amerikanischen Aussenpolitik, zurück zur Monroe-Doktrin. Lasst bloss die Finger von Südamerika! Hier regieren wir, insbesondere, wenn so reiche Bodenschätze in Aussicht stehen. Zu organisieren wäre nur noch die Verteilung.

Man liest, Donald Trump habe seit seinem Amtsantritt vor einem halben Jahr mindestens 400 Millionen Dollar in seine Privatschatullen geschaufelt. Die Deals laufen bestens. Happy birthday, Mister President!

Zwar ist Trumps Geburtstag seit dem 17. Juni durch. Aber man muss ihn nicht lernen, die Feste zu feiern, wie sie fallen.

 
 
 

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