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Mars' Stunde

«Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.» Wallenstein, der erste Grossunternehmer der Weltgeschichte im Kriegsbusiness, ruft seinen Astrologen Seni hinter dem Fernrohr hervor. Sie haben genug gesehen. Die Gemengelage aller Interessen steht auf Krieg. Gehen wir’s an, das grosse Schlachten.

Heute ist es, als hätte Schiller seine Wallenstein-Trilogie eben erst geschrieben. Mars regiert die Stunde. Die Ukraine führt Division um Division auf die Schlachtbank. Abertausende junger Männer, die einmal die Zukunft ihre Landes waren, werden im Gefechtsfeuer verheizt. Vollkommen sinnwidrig wird ein Krieg alimentiert, der längst verloren ist, nur damit einige Politiker nicht zugeben müssen, dass sie sich hoffnungslos vertan haben. Und auf die spekulative Hoffnung hin, es liesse sich gegen Putin doch noch eine bessere Verhandlungsposition erbomben.

Joe Biden findet das gut, weil es ihn nichts kostet. Der Krieg ist für die USA ein brillantes Geschäft: Kein Tropfen amerikanischen Blutes fliesst, stattdessen sind die Milliarden, die der Kongress bewilligt, der Tropf, an dem die Rüstungsindustrie hängt. Die Kohlen aus dem Feuer zu holen ist Europa zugedacht. Und siehe da: Wir sind blöd genug, es zu tun. Der französische Staatspräsident toppt das Ganze in vorauseilendem Gehorsam und will in der Ukraine die Fremdenlegion zum Einsatz bringen, unbesehen um das Risiko eines Atomkriegs. Aus Grossbritannien erhält er Sukkurs vom Premierminister, aus Deutschland vom Vizekanzler und von der Aussenministerin. Beide sind Angehörige der Grünen, die früher einmal Friedensaktivisten waren. Heute sind sie Spezialisten aller Waffensysteme.

Im Nahen Osten wütet Netanyahu, wie er will. Nicht einmal von den USA lässt er sich in seinem Furor bremsen, die Hamas zu eliminieren, was etwa gleichbedeutend ist mit der Ausrottung des palästinensischen Volkes. Irans Vergeltungsschlag für die gezielte Tötung seiner höchsten Offiziere durch Israel, der mittels einer wahren Flut von Drohnen und Raketen stattgefunden hat, konnte mit saudiarabischer und jordanischer Hilfe abgewehrt werden. Er hat keinen Schaden angerichtet. Es wäre eine Chance auf Deeskalation, aber das Gelobte Land wird sie verpassen. Der Gegenschlag wird kommen so sicher wie der Schabbat am Wochenende (im Moment ist unklar, ob er bereits erfolgt ist). Der Grund ist Netanyahus Angst vor dem Gesichtsverlust gegenüber seinen faschistischen Koalitionspartnern. Es ist seine Methode, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die seine Strafverfolgungsbehörden über ihm schweben lassen.

Insgesamt ist die weltpolitische Zockerei an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten. Das Risiko eines dritten Weltkriegs wird auf den Gruppenfotos der G7 weggelächelt. Wie wohl ist den Bidens, Macrons, Sunaks, von der Leyens und Konsorten dabei, auf dem Grund ihrer Seele? Kein Mensch will Krieg, aber die demokratisch gewählten Führungspersonen der westlichen Welt arbeiten daran auf Teufel komm raus. Die Schweiz, pseudoneutral wie immer, gibt sich her, auf dem Bürgenstock unter dem Titel «Friedenskonferenz» die Selenski-Festspiele part II zu organisieren. Denn darauf läuft die Sache heraus, unvermeidlich.

Der Ursprung der gegenwärtigen Misere besteht darin, dass sich die europäischen Mächte in einer Krise, die von den USA mindestens 20 Jahre lang geschürt wurde (nämlich die Ukraine ins westliche Lager einzubinden), hergegeben haben, sich zu Vasallen der Falken im Pentagon schrumpfen zu lassen. Ursula von der Leyen führt die EU mit sicherer Hand immer tiefer in die Abhängigkeit von den USA, weil sie doch so gern NATO-Generalsekretärin würde. Deutschland hat sich von den USA die Zufuhr russischer Energie und damit den Wohlstand in die Luft sprengen lassen, und statt diesem Verrat entgegenzutreten, begeht Olaf Scholz Landesverrat und küsst Old Joe Biden die Füsse. Er zählt dabei auf die Ideologiebesessenheit seiner grünen Koalitionspartner, die sofort die Chance der energetischen Neuausrichtung Deutschlands gewittert haben und die entsprechende Agenda auf Gedeih und Verderb durchziehen.

Fatal ist, dass (ausser Orban in Ungarn und neuerdings Pellegrini in der Slowakei) keiner der europäischen Staatschefs das Format hat hinzustehen und zuzugeben: Ja, wir haben uns verzockt, wir müssen unsern Kurs korrigieren. Stattdessen flüchten sie sich, assistiert von den grossen Medien, in propagandistische Allgemeinplätze. Freiheit, Demokratie und Menschenrechte würden im Donbass verteidigt (wie damals am Mekong oder am Hindukusch…). Keine Lüge ist ihnen zu schamlos, keine Doppelmoral zu krass.

Das Versagen der Europäer, für einen europäischen Standpunkt einzustehen, führte in die Ratlosigkeit. Plan B existiert nicht. Stattdessen peitschen die Staatenlenker Rüstungs- und Kriegskredite ohne Ende durch die Parlamente und malen, um deren Zustimmung zu sichern, den Teufel an die Wand. Er ist Putin wie aus dem Gesicht geschnitten. Wir sollten bloss nicht glauben, Putin gäbe sich mit der Ukraine zufrieden. Habe er sie einmal auf sicher, so folge die Moldau, dann das Baltikum, dann Polen.

Wer’s glaubt. So oft Putin innenpolitisch nicht verbergen konnte, ein skrupelloser Machtmensch zu sein, so sehr ist seine aussenpolitische Bedachtheit zu anerkennen. Dass der dritte Weltkrieg nicht längst ausgebrochen ist, verdanken wir jedenfalls nicht dem orientierungslosen Hühnerhaufen der westlichen Staatschefs. Ihr politisches Programm besteht vor allem darin, den Wallensteinen unserer Zeit zuzudienen, den grossen Rüstungsunternehmen. Deren Weltnummern eins bis fünf sind sämtlich amerikanisch. Warum die europäischen Staatschefs sich hergeben, ihren Turbokapitalismus mit unseren Steuergeldern zu unterstützen, bleibt offen. Vielleicht weil sie Angst haben, ohne den amerikanischen Schutz nicht bestehen zu können? Dann sollten sie bedenken, dass es der Eigennutz dieses Schildes ist, der Mars die Stunde regieren lässt.    

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