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Die Söhne der Mutter Courage

Aufatmen im deutschen Bundestag: Der Antrag der CDU-/CSU-Fraktion, die Bundesrepublik solle den Taurus-Marschflugkörper unverzüglich der Ukraine zur Verfügung stellen, ist abgestürzt. Deutschland ist noch einmal davongekommen, wird (noch?) nicht Kriegspartei. Dass der Krieg damit ferngehalten wird, ist auch für die Schweiz von Bedeutung. Er wäre nicht spurlos an uns vorbei gegangen. Deshalb bleibt zum Glück offen, ob unsere Farce von «Neutralität» (weil der Bundesrat dumm genug war, das Sanktionspaket der EU gegen Russland zu übernehmen, und weil sich unser Aussenminister Cassis seinem ukrainischen Spezi Selenski an die Brust wirft, wann und wo immer es geht) uns noch hätte schützen können.

Dass die deutsche Volksvertretung im ablehnenden Sinne stimmen würde, wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen. Wer will schon Krieg… sollte man meinen. Eine Vielzahl von Abgeordneten (die CDU-/CSU-Fraktion) aber wollte die Lieferung; an der Zurechnungsfähigkeit mancher Mitglieder der classe politique im grossen Kanton darf gezweifelt werden. Man denke etwa an den CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter, der explizit den «Krieg nach Russland tragen» will – und offenbar verdrängt, dass Russland umgehend den Krieg retour nach Deutschland tragen würde. Oder das unsägliche Flintenweib Agnes Strack-Zimmermann, FDP (also zur Ampel gehörig), das sich längst von jeder Rationalität distanziert hat. Oder desgleichen einige Abgeordnete der Grünen (die einst die Friedenspartei waren…), die nur noch in Kategorien von Panzern, Haubitzen und Munitionskalibern denken. Sie alle wollen den Krieg. Obwohl sie wissen, dass er längst verloren ist. Wahnsinn herrscht.

Was aber hat letztlich doch zum ablehnenden Ergebnis geführt? Die Fraktionsdisziplin in der Ampel? Die Vernunft? Die Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern, die mit Sicherheit keinen Krieg wollen? Die Abstimmung war namentlich, was bedeutet, dass der Name jedes Abgeordneten auf der Liste der Befürworter oder der Ablehner öffentlich gemacht wird. Unter diesen Umständen überlegt sich der eine oder der andere Volksvertreter vielleicht etwas ernsthafter, in welchem Lichte er erscheinen möchte. Das mag manche der «Vernunft» etwas nähergebracht haben – nämlich in Form der Angst vor dem Verlust der Privilegien eines Abgeordneten.

Aber den Taurus nicht zu liefern, heisst nicht, sich für die Beendigung dieses unsäglichen Krieges einzusetzen. Er hat zwar bis heute Hunderttausende von Menschenleben gefordert (was keinen der Entscheidungsträger anficht), geht aber trotzdem weiter, weil die Mechanismen des Kapitalismus es so wollen. Die Börse boomt, der DAX steht auf einem Allzeithoch. Soeben hat Rheinmetall, das Flaggschiff aller Rüstungsunternehmen, seine Jahreszahlen offengelegt: Rheinmetall zahlt dieses Jahr pro Aktie Euro 5.70 Dividende gegenüber 4.30 im Vorjahr. Wie viele Abgeordnete im deutschen Bundestag stehen auf dem Aktionärsverzeichnis? Strack-Zimmermann, Kiesewetter, Röttgen mit Sicherheit… Friedrich Merz, Oppositionsführer, zweifelsfrei auch, aber vor allem ist er der Mann des BlackRock-Ablegers in Deutschland. Die weltgrösste Investitionsgesellschaft ist gerade dabei, die Ukraine aufzukaufen. Da die Ukraine ihre monstruösen Schulden bei den USA gegenfinanzieren muss, hat sie keine andere Wahl, als sich BlackRock an die Brust zu werfen.

Was heisst das alles? Die Bundesrepublik Deutschland, die wir noch vor wenigen Jahren als eine vorbildliche Demokratie wahrgenommen hatten, ist eine Oligarchie geworden, in der sich die Schicht der Entscheidungsträger von der breiten Masse abgekoppelt hat. Die deutsche Demokratie ist zu einer Kopie der amerikanischen Demokratie-Folklore geworden, in der zwar gewählt wird, wo aber die Masse der Besitzlosen zum Schutz der Elite der Begüterten niedergehalten wird (was bereits die Verfassungsväter explizit so zu Protokoll gegeben haben). In Deutschland ist die Interessenslage der classe politique ein Amalgam aus persönlicher Profitorientierung, unbelehrbarer Weltverbesserungssturheit und top-down orientiertem Meinungsterror. Einigend wirkt nur noch das gemeinsame Interesse dieser Sesselklammerer am Machterhalt. Und weil in anderthalb Jahren der Regierung die Abwahl droht, hat sie flugs noch ihre eigenen Diäten erhöht. Ihr Rentner- und Rentnerinnendasein wird ihnen dadurch etwas leichter fallen.

Natürlich darf aber die Diskrepanz zwischen der Elite und der breiten Masse nicht zu deutlich werden. Deshalb muss die Bevölkerung auf Kurs gehalten werden, was mit Hilfe der Main-Stream-Medien geschieht. Sie haben zu diesem Zweck einen Katalog von passenden Narrativen entwickelt, den sie unbeirrt bewirtschaften. Einer davon ist das Erzählmuster, Putin müsse in der Ukraine auf Tod und Verderben aufgehalten werden, weil er sonst umgehend die baltischen Staaten und schliesslich Polen etc. angreifen würde. Das wird uns seit zwei Jahren eingetrichtert. Dummerweise hat aber ausgerechnet das amerikanische «Office of the Director of National Intelligence» in seinem «Annual Threat Assessment oft he US Intelligence Community» (das heisst: die Risikobeurteilung, die aus den zusammengefassten Geheimdienstberichten hervorgeht) letzte Woche festgestellt, dass Putin «mit ziemlicher Sicherheit» den Krieg mit der NATO vermeiden wolle.

Braucht es noch mehr an Beleg, dass die europäische Öffentlichkeit von ihren Regierungen belogen wird? Dass von Seiten von Baerbock, Merz, Macron, Sunak und Konsorten eine schamlose Aufhetzung betrieben wird, zugunsten eines primitiven Mehr-Haben-Wollens ihrer selbst? Und dass sie dafür das Risiko eines dritten Weltkriegs einfach in Kauf nehmen?

Vor 85 Jahren, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, schrieb Bertolt Brecht sein Stück «Mutter Courage und ihre Kinder». Es handelt von einer Marktfrau, die im 30jährigen Krieg – notgedrungen – den kämpfenden Truppen  hinterherzieht, weil nur der Krieg ihr ein Auskommen beschert.

Ja, sie schaffte es. Lohnte es sich auch? Alles, was ihr wirklich etwas bedeutet hatte, waren ihre drei Söhne. Die waren bei Kriegsende allesamt tot.  

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