Die Welt wird heimgesucht von der Erfahrung ihrer eigenen Zerbrechlichkeit. Noch vor wenigen Wochen schien alles wunderbar aufgegleist: die Globalisierung vollendet, der Demokratie die Zähne gezogen, die Linken in die Schranken gewiesen. Aber just in diesem Moment des höchsten Profits für die Wenigsten führt uns corona an den Abgrund. C-19 heisst die Formel für die Fragilität einer Lebensform, die zum Tanz auf dem Vulkan verkommen ist. Jahrzehntelang hat man alle Warnungen in den Wind geschlagen und Globalisierungsgegner als linke Chaoten verunglimpft. Die Aufhebung aller Regulierungen war das Gebot, das eine vom unbegrenzten Wachstum berauschte Wirtschaft den Menschen gebetsmühlenartig vermittelte, den vermeintlichen Code für den Zugang zu neuen Wohlstandsdimensionen. Der hinderliche Staat und seine Langweilerbeamten waren Auslaufmodelle einer überlebten Geschichte, Metaphern für das Ewiggestrige.
Und jetzt legt uns ein Virus lahm. Zeigt auf, wie sehr alles, was ungebremste Globalisierung will, eine Form von Hybris ist. Die westliche Welt, die jede nicht niet-und-nagelfeste Produktionsstätte nach China auslagerte, wundert sich, dass China nicht mehr liefert. Keine Medikamente, keine Zwischenprodukte für die Autoindustrie, nicht einmal die in Asien allgegenwärtigen Schutzmasken. Derweil hoffen wir auf einen Impfstoff und rufen nach dem Staat, damit wir schnellstmöglich zurückkehren können in die heile Welt des ungebremsten Konsums. Bei allem Verständnis für notleidende KMUler und das Gastgewerbe ist aber festzuhalten, dass langfristige Besserung nur eintreten kann, wenn wir bereit sind, vom neoliberalen Globalisierungswahn abzurücken. Wir müssen unser Know-how der industriellen Fertigung reaktivieren und den Staat als unabhängiges, demokratisch bestelltes Steuerungssystem restaurieren. Denn nicht staatliche Regulierungen sind der Feind einer im Interesse der Menschen handelnden Wirtschaft, sondern das Primat des Shareholder-Values. Die Verlagerung der industriellen Produktion nach China hat nicht nur Hunderttausende Arbeitsplätze gekostet, sondern den Westen in fatalster Weise abhängig gemacht. Vielleicht verhilft uns corona zur Einsicht, dass wir im Interesse der Wirtschaft einen selbstbewussten Staat brauchen, um dem Ausverkauf der produzierenden Industrie entgegen zu wirken.
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