Würde ich, wäre ich Deutscher, die AfD wählen? Vor wenigen Wochen noch wäre das abwegig gewesen; heute bin ich mir nicht mehr sicher. In Deutschland spielen sich Dinge ab, die wir, solange wir die Bundesrepublik noch zu den vitalen Demokratien zählten, nie für möglich gehalten hätten. Deutschland ist auf dem Weg zur Bananenrepublik. Daran sind nicht etwa diejenigen schuld, denen mit Pauken und Trompeten getutet wird, sie seien «gesichert rechtsextrem». Die Abschaffung der Demokratie wird von jenen vorangetrieben, die sich als die guten Demokraten inszenieren, CDU und CSU, SPD und Grün, die sogenannten Kartellparteien. Auch Sahra Wagenknecht scheint angesichts von sich abzeichnenden Regierungsbeteiligungen die Lust an der Macht zu entdecken. Nur die Gelbphase der Ampel, die FDP, können wir vernachlässigen. Die sind weg vom Fenster.
Das jüngste Beispiel für demokratiefeindliche Bestrebungen, die sich das Machtkartell seit Monaten zuschulden kommen lässt, stammt aus Thüringen. Dort (sowie in Sachsen und Brandenburg) wurde der Landtag neu bestellt. Dreimal ging die AfD als Wahlsieger hervor mit jeweils knapp 30 Prozent der Stimmen. Ein Drittel! Aber anstatt dass die Kartellparteien in sich gehen und überlegen würden, was sie falsch gemacht hätten, behaupten sie schlicht und ergreifend, das ostdeutsche Volk sei halt nicht reif für die Demokratie. Kanzler Scholz hat in seiner Rede zum «Tag der deutschen Einheit», die aus gebotenem Anlass zwingend hätte Gräben zuschütten sollen, nichts Dümmeres gewusst als die AfD-Wähler einmal mehr zu brüskieren. Man fühlt sich an die DDR-Führung der 50er-Jahre respektive an das damalige Wort von Bert Brecht erinnert, der vorschlug, unter gegebenen Umständen sei es vielleicht am klügsten, wenn sich die Regierung ein anderes Volk wählen würde.
Das Ganze hat natürlich Methode. Es entspricht dem mittlerweile in halb Europa durchexerzierten Muster, dass eine Protestpartei irgendwo Wahlsieger mit einem relativen Mehr wird. Ihre Mehrheit kann vom Kartell der Alteingesessenen mit Koalitionen übertrumpft werden. Das ist nicht undemokratisch. Undemokratisch wird es, wenn dem Wahlsieger seine Rechte vorenthalten werden, die ihm in der geltenden Rechtstradition (oder sogar durch die Verfassung) zustehen. In Deutschland gibt es solche Usanzen seit der Paulskirche, also seit der ersten parlamentarischen Versammlung von 1848.
In Thüringen wurden sie letzte Woche ausser Kraft gesetzt. Die konstituierende Sitzung des Landtags versank im Chaos, weil der Alterspräsident (der AfD) systematisch gehindert wurde, seines Amtes zu walten. Die CDU verlangte, dass zuerst das Reglement betreffend Wahl des Landtagspräsidenten zu ändern sei und anschliessend der Landtag sich konstituieren solle. Zweitens verlangte sie auch noch eine Anpassung der Sitzverteilung, um der AfD ihre erworbene Sperrminorität schlicht und ergreifend zu klauen. Um diese korrupten Umtriebe durchzusetzen, hatte man bereits tags zuvor das Thüringische Verfassungsgericht angerufen, und dieses gab dem Antrag statt, weil es samt und sonders aus den üblichen Verdächtigen zusammengesetzt ist (soviel zum Thema unabhängige Justiz…). In der NZZ schrieb Fatina Kailani: «Es war ein verstörendes Schauspiel. Die vier anderen Fraktionen taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter dem Demokratie.» Es brauchte eine schweizerische Zeitung, um festzustellen, was Sache war. Sämtliche grösseren deutschen Medien verwechselten Täter und Opfer und geiferten über die «gesichert rechtsextreme» AfD. Die Umdeutung der Wirklichkeit durch den Mainstream erreichte abenteuerliche Dimensionen. Mittlerweile versteigt sich das Kartell sogar zum Plan, die AfD rundherum zu verbieten. Gesichert rechtsextrem? Ja, dann wären wir soweit.
Chefinszenierer der ganzen Schmierenkomödie war der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt, ein Typ, der in seiner Dissertation jede dritte Seite gesichert plagiiert hat. Er will jetzt Ministerpräsident werden. Wohl bekomm’s. Wer auf ein ordnendes Wort des Parteivorsitzenden der Bundespartei, des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Merz giesst Öl ins Feuer, wo er nur kann.
Welcher Ungeist treibt diesen Wolf im Schafspelz an? Wie immer im Grosskapitalismus ist der Krieg der Vater aller Dinge. Die transatlantische Allianz lässt und lässt nicht locker. Immer neue Waffengeschenke werden gemacht, immer gefährlichere Technologien an die russische Front geliefert, immer mehr rote Linien überschritten. Aktuell sind Mittelstreckenwaffen das Thema, die bis nach Moskau reichen sollen. Wissen diese Hasardeure, wie gefährlich das ist?
Schauen wir, um Merz’ Vabanque-Spiel zu durchdringen, in zwei Punkten zurück. Erstens: Als sich der Warschauer Pakt 1990 auflöste, versprach die NATO, sie würde «not one inch» nach Osten vorrücken. Aber was kümmert mich mein Geschwätz von gestern; ganz Osteuropa ist heute in der NATO. Das bedeutet, dass all diese Staaten, vom Baltikum bis Bulgarien, ihre Waffen NATO-kompatibel machen mussten, was gigantische Aufträge an die US-Waffenindustrie zur Folge hatte, an Boeing, Raytheon, General Dynamics. Also an Unternehmungen, die mehrheitlich der weltgrössten Investorgruppe BlackRock gehören.
Zweitens: Als die Ukraine um das Jahr 2000 dringend Kredite brauchte, stand die EU zur Verfügung. Die Bedingung war, dass die Ukraine ihr geltendes Bodenrecht, das keinen privaten Grundstückbesitz kannte, anpassen und Grundstückerwerb durch westliche Gesellschaften zulassen musste wie Monsanto, Dupont, Cargyll. Also Unternehmungen, die mehrheitlich der weltgrössten Investorgruppe BlackRock gehören. Da die Ukraine die Milliardenkredite niemals wird bedienen können, musste sie wesentliche Teile ihres Grund und Bodens (samt der Bodenschätze…) an BlackRock verpfänden. Wer in der BRD ist – als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland – am engsten involviert? Überraschung! Es ist der Chef der Kriegsgurgelpartei und Kanzlerkandidat Friedrich Merz.
In der Schweiz bezeichnete man über Jahrzehnte Deutschland gerne als den «grossen Kanton». So idyllisch sehen wir das nicht mehr. Deutschland ist zur Bananenrepublik verkommen, zum grossen Bananenkanton.
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