Der Platz Basel ist, mit Blick auf seine Medien – insbesondere der schreibenden Zunft –, ein desolates Pflaster. Die faktische Monopolsituation, die die Basler Zeitung seit mehr als 40 Jahren einnimmt, hat je länger desto weniger zur Folge, dass diese Monopolzeitung die lokale Meinungsbildung mitgestalten würde, sondern dass auf dem Platz Basel in lokalen Belangen die öffentliche Meinung schlicht und er-greifend ausgehungert wird. Denn öffentliche Meinung setzt einen lebendigen, ernst zunehmenden Dis-kurs voraus, und für diesen wäre die veröffentlichte Meinung (und zwar kontrovers!) essentiell.
Die veröffentlichte Meinung in Basel aber ist jene der Basler Zeitung, und die interessiert keinen. Die hehren Absichten, die nach der Fusion der Basler Nachrichten mit der National-Zeitung 1977 die Öffentlichkeit beschwichtigen sollten, man wolle ein Forum der Meinungsvielfalt sein, verpufften wie Schall und Rauch. Über alle Veränderungen im Verlag (ein Abbild der schweizerischen Presse-konzentration) und in der Chefredaktion wurde es, Stufe für Stufe, schlimmer und schlimmer. Die Hoffnung, nach der Aera Blocher/Somm könnte durch den Tamedia-Verlag eine Konsolidierung ein-treten, zerschellte am Umstand, dass die Lokalredaktion die Verlagsrochade personell überdauerte. Mittlerweile scheint der Tiefpunkt erreicht (aber man weiss ja nie…). Der ehemalige Sportchef, Marcel Rohr, ist – dem Aussenstehenden bleibt keine andere Vermutung – wie die Jungfrau zum Kind zur Chefredaktion gekommen und erweist sich als unfähig, einen ernst zunehmenden Leitartikel zu verfassen. Weitere „Beförderungen“ (etwa von Serkan Abrecht von der Lokalredaktion auf jene der nationalen Stufe) tragen zum Desaster bei.
Wohl mögen sich ein paar Rechtsaussenfraktionen bestätigt fühlen, wenn in der BaZ täglich gegen die „Linken“ vom Zaun gezogen wird. Aber die repetitive Bedienung aller Klischees gegen ein politisches Verhalten, das über den Tellerrand hinaus denkt, hat nichts mit öffentlichem Diskurs zu tun, sondern nur mit schlechtem Journalismus. Wer die heutige BaZ (Montag, 28.10.2019) öffnet, entdeckt – Seite zwei – auf der unteren Hälfte links, dreispaltig, den x-ten Erguss militärischer Selbstbeweihräucherung von Serkan Abrecht, zu welcher er sich unvermeidlich bemüssigt fühlt, wann immer er im WK ist (und als Offizier – ja, Offizier! Wir gratulieren! – ist er das oft). Wie er in der aktuellen Ausgabe aber über die „ultralinke WOZ“ herzieht und gleichzeitig ideologische Toleranz für sich in Anspruch nimmt, ist uner-träglich.
Auf der unteren Hälfte rechts, zweispaltig, überlässt man mit Markus Melzl, dem ehemaligen Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, einem Rechtsradikalen das Wort – wovon er in einer Weise Gebrauch macht, dass einem liberal Denkenden übel wird. Herrn Melzl ist es offensichtlich ein Dorn im Auge, dass Staatsbürger von verfassungsmässig garantierten Rechten Gebrauch machen: dem Recht der Versamm-lungs- und der Meinungsäusserungsfreiheit. Anders ist nicht zu erklären, dass alles, was zu politischen Demonstrationen führen könnte, von ihm in einem Topf lächerlich gemacht werden soll: „Für das Klima und gegen Banken und je nach politischer Ausrichtung für oder gegen die türkische Militäroffensive in Syrien (…)“. Ja, Herr Melzl: Für das Klima und gegen Banken und gegen die türkische Militäroffensive in Syrien müssen wir demonstrieren dürfen! Sonst wäre das System, für das Sie einzustehen meinen, die Tinte nicht wert, die Sie verschmieren.
Die Tendenz bei den Herren Abrecht und Melzl ist identisch: Weg mit den politisch anders Denkenden!
Wer kann eine Zeitung ernst nehmen, in der solche Autoren solche Texte schreiben dürfen? Und dafür das Placet ihrer Chefredaktion erhalten? Wie gesagt: Die einen mögen sich bestätigt fühlen; ob mit diesen aber Staat zu machen ist, bleibe dahingestellt. Und die anderen – die, mit denen Staat tatsächlich zu machen wäre – nehmen solches schon gar nicht mehr zur Kenntnis. Getreu der Empfehlung von Karl Kraus: Nicht einmal ignorieren!
Am vergangenen Freitag (25.10.2019), das soll gerechterweise keinesfalls unerwähnt bleiben, war in der BaZ an gleicher Stelle (Seite zwei, unten rechts) ein kluger Artikel von Peter de Marchi zu lesen. „Lasst uns das Denken wieder zwei oder drei Gänge höher schalten“, empfiehlt er. Noch so gerne! Peter de Marchi greift den Hype auf, der (wesentlich von der Basler Zeitung) um den Umstand verursacht wurde, dass zwei Gewerbebetriebe die Stadt Basel verlassen haben, weil sich ihre innerstädtische Domizilierung nicht mit der gegebenen Parkplatzsituation verträgt. Er verknüpft diesen Hype mit der offensichtlichen Fehleinstellung der Parteien, die ihn befeuert haben, und stellt fest: „Das kann nur bedeuten, dass [sie] an den Menschen in dieser Stadt vorbeipolitisieren“. Wie recht hat er doch! Leider vergisst Herr de Marchi, neben der SVP und der FDP etc. noch eine weitere Partei zu erwähnen, die an den Menschen in dieser Stadt vorbeipolitisiert: die BaZ. Noch wahrscheinlicher aber ist, dass er nicht vergessen hat, sie zu erwähnen, sondern darauf verzichtet. Weil sie sein Arbeitgeber ist. Schade.
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