Am Katzentisch
- Reinhard Straumann

- 15. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Siehe da: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die europäischen Regierungschefs, welche bisher in ihrer Liebedienerei und Heuchelei nicht müde wurden, vor Donald Trump im Staub zu kriechen, wagen es plötzlich, ihrem Halbgott zu widersprechen, ja ihm entgegenzutreten. Zwar ging es bisher durchaus um vitale europäische Interessen, nämlich um die Zoll-Launen sowie die Energie- und Waffendeals, die Trump freudvoll aus dem Hut zaubert - aber offenbar waren diese nicht halb so wichtig wie das Thema, das aktuell ansteht. Die Europäer - in der Standardformation Merz, Macron, Starmer, Tusk und der niegewählten EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen - sind höchlichst verwirrt durch die fatale Aussicht, dass in der Ukraine der Frieden ausbrechen könnte.
Bloss nicht! Da sei Gott davor! Soviel Unheil hat die Koalition der Willigen wirklich nicht verdient. Tag und Nacht haben sie sich abgerackert, um den Shareholdern der Waffenindustrie zu immer mehr Dividenden zu verhelfen. Hunderte von Milliarden haben sie in ein Land gepumpt, in dem nicht nur eine (gesichert!) rechtsextreme Vergangenheit, sondern eine rechtsextreme Gegenwart sich selbst feiert, die den Nazi-Schergen von anno dazumal heute noch Denkmäler baut, Strassen nach ihnen benennt und ihnen zu Ehren Fackelaufmärsche organisiert. Aber ein bisschen Toleranz muss natürlich schon sein. Es ist ja kein Pappenstil für Merz und von der Leyen, zu Hause durchzugreifen und in Berlin und Brüssel Gesetze durchzupauken gegen die Meinungs- und Meinungsäusserungsfreiheit und die eigenen Bevölkerungen anzulügen, bis sich die Balken biegen. Da kann man sich gewiss nicht auch noch um Kiew und seinen Präsidenten kümmern, von dem neulich durchgesichert ist, dass er zusammen mit seiner Frau dieser Tage in Saudi-Arabien war zwecks Arrangierung seiner Vermögensverhältnisse. Da gibt es einiges zu tun - angesichts von Hunderten Millionen Euros und Dollars, die von der amerikanischen Finanzkontrolle (die seit Wochen in Kiew an der Arbeit ist) als vermisst gemeldet werden.
Wer beobachtet, wer sich von dieser Clique von Volksbetrügern und Steuerklauern in Sachen Friedensverhinderung am meisten ins Zeug legt, wird nur schwer um den Verdacht herum kommen, dass genau diese es sind, die durch die Beendigung des Kriegs am meisten zu verlieren haben: Friedrich Merz, der Mann von BlackRock an der Polit-Front, und Wolodimir Selenski, der Präsident von Korruptistan. Weshalb setzt Merz Himmel und Hölle in Bewegung, rennt von Pontius zu Pilatus, erniedrigt sich bis zum Gehtnichtmehr, bloss um zu verhindern, dass Trump und Putin einen pfannenfertigen Deal ausjassen? Etwa aus christlicher Nächstenliebe, weil seine Partei das C im Namen führt? Oder weil er es nicht übers Herz bringt mitanzuschauen, wie das Völkerrecht gebrochen wird (während es ihm anderswo schnurzegal ist)?
Jeder Deal - da führt kein Weg daran vorbei - kann nichts anderes beinhalten als die Teilung der Ukraine. Es wäre geradezu lächerlich anzunehmen, Putin würde auch nur einen Quadratzentimeter des eroberten Gebiets wieder abtreten. Wehalb sollte er auch? Um das an dieser Stelle ein weiteres Mal auszuführen: Nicht Putin hat diesen Krieg gewollt, im Gegenteil, er hat sich (für seine Verhältnisse...) im Winter 2021/22 schon fast erniedrigt, um von der NATO die Zusage zu erhalten, die Ukraine würde nie dem Nordatlantischen Bündnis beitreten. Es ist aus heutiger Optik kaum zu fassen, dass eine entsprechende Unterschrift aus dem Westen gereicht hätte, den Krieg abzuwenden und das ganze Wirtschafts- und Wohlstandsdesaster, in welchem vor allem Deutschland heute steht. (Wer bis jetzt nur den westlichen Leitmedien vertraut hat, wird mir das kaum glauben - was nichts daran ändert, dass es wahr ist. Man lese seriöse, nicht verblendete Fachliteratur: Mearsheimer, Sachs, Todd, Lüders, von Dohnanyi etc.). Der Westen hat den Krieg zumindest billigend in Kauf genommen - und er hat ihn gekriegt. Mit allen Konsequenzen. Und er hat sich aus der Affäre zu stehlen versucht, indem er Putin zum Untermenschen verteufelte, ihn mit Hitler gleichsetzte, jegliches Gespräch mit ihm verweigerte und dergleichen. Wie sollen die europäischen Regierungschefs im Falle eines Friedensschlusses ihren Bevölkerungen jetzt plausibilisieren, dass alles nur Fake war? Dass Putin weder Lust noch die Möglichkeit hat, weder nach Polen noch nach Hamburg vorzurücken? Wie sollen die Hunderte von Milliarden an Rüstungsausgaben erklärt werden, die alle schon beschlossen sind, wenn die Menschen merken, dass sie ohne jegliche Notwendigkeit aus ihren Rententüten geklaut wurden?
Es führt kein Weg daran vorbei: Der Krieg ist für den Westen verloren. Ende der Durchsage. Die Oblaste Donetsk, Luhansk, Saporischia und Cherson sind weg mit ihren schönen Seltenen Erden, mit ihrem Lithium und dem ganzen Wunschzettel, vom Ferienparadies der Krim ganz zu schweigen. Die NATO hat sich verspekuliert, politisch, und BlackRock wirtschaftlich. Der grösste Investor des Westens schaut in seiner Arroganz in den Mond, hat die Ukraine für gar nix aufgekauft.
Es wäre höchste Zeit für die Europäer ihre Realitätsverweigerung aufzugeben. Einzig zum Kriegziel zu erheben, dass der Krieg ad inifinitum weitergehen müsse, ist schon von der intellektuellen Leistung an Dürftigkeit nicht zu überbieten. Und in keiner einzigen seiner Äusserungen hat Merz (und seine KollegInnen aus Paris, London, Warschau, Rom, Brüssel sind keinen Schritt weiter) irgendetwas angedeutet, was darüber hinausginge. Zwar schwafeln sie nicht mehr vom "Kampf bis zum letzten Ukrainer" (wie die Amis der Aera Biden in ihrer Wildwest-Mentalität, wofür selbst Trump zu intelligent ist), sondern sie lügen uns im Chor das alte Lied vom Selbstbestimmungsrecht der Völker vor (wie wenn sie das in Palästina, Libanon, Syrien, Iran je gekümmert hätte). Jeder Ukrainer, der jetzt noch fällt (was heisst da jetzt noch? das hat schon vor Monaten gegolten) ist die Farce eines Komikers aus Kiew, dem kein Zynismus zu geschmacklos ist, der eine Generation um die andere seiner Landsleute verheizt, und alles mit dem besten Gewissen. Wenn ich am TV sehe, wie Merz ihn herzt und küsst, dann lässt sich der Brechreiz nicht vermeiden.
Immerhin ist wahr, dass dieser Komiker noch mehr zu verlieren hat als Merz und Konsorten. Bei ihm geht es um nichts anderes als um seine nackte Haut. Der Putsch, der in Kiew auf ihn wartet, wird ihn nicht schonen. Es könnte wieder, wie schon 2014, ein amerikanischer sein. Oder ein russischen? Oder gar einer aus amerikanisch-russischer Zusammenarbeit? Das wäre die beste Lösung. Nichts ist ausgeschlossen - ausser der goldenen Nase, die sich die EU verdienen wollte. Sie sitzt am Katzentisch und kann froh sein, wenn es das eine oder andere Häppchen absetzt.


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