Genozidäre aller Länder, vereinigt Euch!
- Reinhard Straumann

- 26. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Juni
Die aggressivsten unter den gegenwärtigen Schurkenstaaten dieser Welt, die USA und Israel, haben es durchgezogen. Krieg gegen den Iran. Endlich! Bibi Netanjahus feuchtester Kindheitstraum ging in Erfüllung. Damit ist er den Top-3 der Ziele seiner politischen Agenda nähergekommen. Als da wären: 1. an der Macht bleiben. 2. unter allen Umständen an der Macht bleiben (weil sonst die innerisraelische Justiz gegen ihn vorwärts machen würde). 3. Schaffung eines Staates Grossisrael, in welchem es keine Palästinenser mehr gibt, sodass die religiösen Eiferer die Macht des notorischen Völkerrechtsbrechers absichern und die Punkte 1. und 2. redundant machen würden.
Dies würde zweierlei voraussetzen: Die ethnische Säuberung des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes und die Erzeugung von politischem Chaos im Iran, insbesondere den Sturz des Mullah-Regimes und die Zernichtung jeglicher iranischer Atomanlagen. Letzte Woche war die Gelegenheit günstig: Erstens liess sich durch den israelischen Erstschlag trefflich vom laufenden Genozid in Gaza ablenken. Zweitens waren die militärischen Flügel der arabischen Welt durch die Ausradierung der Hamas und der Hizbollah so schwach wie nie. Und drittens lag der innere Rückhalt der Mullahs im Iran gerade noch bei knapp 20 Prozent. Also konnte die Zustimmung der westlichen Wertewelt vorausgesetzt werden (die sich nur noch ans Völkerrecht erinnert, wenn andere es brechen). Der deutsche Kanzler hat denn auch seiner Zufriedenheit Ausdruck verliehen, indem er sich dafür bedankte, dass Israel und die USA «die Drecksarbeit» so vorzüglich verrichtet hätten.
Der deutsche Kanzler bedankt sich also beim israelischen Premier und beim amerikanischen Präsidenten für die Entschlossenheit, einmal mehr das Völkerrecht zu pulverisieren. Die aus dem Westfälischen Frieden herrührende internationale Ordnung ist damit endgültig geschreddert. Quo vadis, Wertewesten?
Noch interessanter ist das Verhalten von Donald Trump, der wohl noch immer glaubt, das Komitee für den Friedensnobelpreis komme jetzt nicht mehr um ihn herum. Erst behauptet er, vorab nichts von der israelischen Attacke gewusst zu haben. Dann verkündet er ein vierzehntägiges Abwarten, bis er sich entschieden haben würde, ob er dem israelischen Unterstützungsgesuch mit seinen Tarnkappenbombern nachkommen werde. Dann schlägt er zu, aber bereits nach zwei Tagen. Und dann befiehlt er, husch, husch, seine Flughunde zurück ins Körbchen. War ja nur ein ganz kleiner Krieg, den wird man ihm wohl nachsehen können. Egal, ob die iranischen Zentrifugen zur Urananreicherung zerstört sind (was er behauptet) oder nicht (was die New York Times und CNN mit Berufung auf israelische und amerikanische Geheimdienste berichten). Oder ob der Kriegsanlass – Netanjahus Behauptung, der Iran stehe genau jetzt knapp vor der Vollendung seiner Nuklearwaffen – tatsächlich authentisch war. Wir haben nicht vergessen, dass die False-flag-Behauptung, ein Feind sei im illegalen Besitz von Massenvernichtungswaffen, sich schon einmal prächtig bewährt hat.
Was verbindet Netanjahu mit Trump (und wenn Trump genannt wird, dann gilt: im Seitenwagen fährt der Transatlantiker Friedrich Merz mit), respektive: was verbindet Israel mit den USA, dass ein Krimineller wie Netanjahu seit zwanzig Jahren allen wechselnden US-Präsidenten die Mittelost-Politik diktieren konnte und kann?
Gewiss, da ist der immense Einfluss jüdischer Geldgeber auf die amerikanische Innenpolitik. Jeder Präsidentschaftskandidat in den USA weiss: Ohne jüdisches Kapital geht gar nix, und dieses fliesst, wenn die US-Aussenpolitik dem Einflüsterer aus dem Gelobten Land folgt. Deutschland, dass sich nach der Katastrophe des Dritten Reiches die Wiederaufnahme in den Kreis zivilisierter Nationen neu erkaufen musste, war froh, dem 1947 entstehenden Staat Israel Sukkurs geben zu können, bis hin zur Fixierung von dessen Existenzrecht im eigenen Grundgesetz. So waren auch die amerikanischen Präsidenten zufrieden und Deutschland zählte wieder zu den Guten und Schönen auf diesem Planeten.
Aber noch etwas verbindet die drei genannten Nationen miteinander – ein Aspekt, der im bisherigen Diskurs noch nicht genannt wurde, über den es sich aber nachzudenken lohnt. Die USA, Deutschland und Israel verbindet die Tatsache, dass alle drei sich im Laufe der letzten 250 Jahre je einen Genozid haben zuschulden kommen lassen: Durch die Ausrottung der Indianer (18. und 19. Jahrhundert, vier Millionen Tote), durch den Holocaust an den Juden (sieben Millionen) und durch die Vertreibung und Tötung der Palästinenser (mindestens eine Million Tote, seit es den Zionismus gibt).
Was macht die Schuld an einem Genozid mit einer Nation? Zumal, wenn man – wie im Falle der USA oder Israels – sich der Geschichte nicht stellt, sondern beharrlich die eigene, schuldhafte Vergangenheit leugnet und verdrängt? (Deutschland hat den umgekehrten Weg gewählt und sich so radikal zu seiner Schuld bekannt, dass heute jegliche Schandtat der ehemaligen Opfer gutgeheissen wird. Mehr noch: Man liefert bereitwillig Waffen, damit sie das Unrecht ungestört perpetuieren können.)
Was macht Schuld mit einer Nation? Abgesehen von den diplomatischen und rechtlichen Faktoren (die im Falle Israels und der USA wegen ihrer internationaler Soft-Power nicht wirken) sind auch psychologische Folgen für den inneren Zusammenhalt eines Landes zu nennen. Ein Genozid ist ein gesamtgesellschaftliches Verbrechen, an dem ein grosser Teil der Mehrheitsbevölkerung direkt oder indirekt beteiligt ist oder war. Eine Tätergesellschaft ist Schuldgefühlen, Verleugnungen oder einer innergesellschaftlichen Brutalisierung ausgesetzt.
Ist es schwer, in diesen Hinweisen die Parallelen zu der nationalen Vergangenheit der USA, Israels und Deutschlands zu erkennen? Kaum. In den USA und in Israel hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Genozidäre aller Länder, vereinigt Euch! Es ist Eure Stunde. Nie war es so einfach, Unrecht zu tun und durch die Maschen des Rechts zu schlüpfen.


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