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Das Angst-Management

Aktualisiert: 8. Aug.

Es ist ein Elend, und es wiederholt sich ständig. Kaum scheint irgendwo eine Meldung auf, von der wir annehmen, sie könnte, mit kritischer Tendenz, etwas Licht ins Dunkel irgendeiner Situation bringen – ist sie schon wieder verschwunden. Insbesondere in Deutschland ist das allmächtige Wirken irgendwelcher Formen von Zensur so pünktlich wie in der Schweiz die Bundesbahn, sei es die Selbstzensur innerhalb bestimmter Medien, sei es die Wirkungsmacht des Majestätsbeleidigungs-Paragraphen (§ 188 des Strafgesetzbuches, der „Personen des politischen Lebens“ besonderen Schutz gegen „üble Nachrede“ angedeihen lässt) oder sei es die Cancel Culture, mit welcher die Exponenten vorherrschender Meinungen Abweichler zum Schweigen bringen. Sagt einer – etwa im Rahmen einer Talkshow – etwas, was nicht opportun ist, so fällt ihm der Talkmaster ins Wort und übertextet ihn mit Lautstärke. Oder er verschwindet, aufgrund eines wundersamen technischen Defekts…, schlicht und ergreifend vom Bildschirm. Oder ein Beitrag ist auf irgendwelchen Mediatheken nicht mehr abrufbar. Oder es reicht die tendenziöse Beeinflussung des Publikums durch die täglichen Nachrichten, die bringen, was opportun ist, und weglassen, was stört. Die Möglichkeiten sind so zahlreich wie die Halbwahrheiten, mit denen wir üblicherweise abgespiesen werden.

Beispielsweise waren nirgendwo ausser auf X Hinweise auf einen israelischen Soldaten zu finden, der vor dem unabhängigen Untersuchungsausschuss der Knesset zu den Vorgängen vom 7. Oktober 2023 (den Premierminister Netanjahu wiederholt zu hintertreiben versuchte) ausgesagt hat, seiner Truppe, die an der Grenze zum Gazastreifen Dienst tat, sei offiziell verboten worden, an jenem Abend zwischen 05:20 und 09:00 Uhr irgendwelche Patrouillengänge zu unternehmen. Dem Post (auf X) vom 31. Juli lag ein Video bei, das die Aussage des Soldaten dokumentierte und das von mehreren unabhängigen Fakten-Checks als authentisch qualifiziert wurde.

Diese Information hätte den Gehalt von Dynamit gehabt – aber sie verpuffte, weil ihre Tendenz nicht in unser Koordinatensystem der politischen Opportunität passte. Unser politisches Führungspersonal kommt offenbar sehr wohl damit zurecht, dass die Regierung Netanjahu auf der falschen Seite der Geschichte, der Ethik und der Moral steht, aber sie darf es nicht zugeben. Stattdessen steht die auf der Seite von Macht, Zynismus und Völkermord, aber auch dies ist natürlich tabu. Deshalb verzerren unsere Medien beharrlich die Wirklichkeit auf der Basis von Doppelmoral. Der erwähnte Post war auf X am 31. Juli zu lesen, ist dann aber sang- und klanglos von den Bildschirmen verschwunden.

Man stelle sich die Wirkung vor, wenn diese Nachricht medial so verarbeitet worden wäre, wie es echter, handwerklicher, seinen Zielen verpflichteter Journalismus erfordert hätte. Das hätte im Klartext geheissen: Netanjahu hat von den Plänen der Hamas betreffend den 7. Oktober nicht nur gewusst, sondern er hat sie im klaren Bewusstsein ihrer Konsequenzen geschehen lassen. Kurz: Er hat 1200 Menschen seiner eigenen Bevölkerung wissentlich geopfert. Let it happen on purpose heisst das in der Sprache aller Kriegserfinder: Lass es mit Absicht geschehen. Diese Strategie hat immer geholfen, wenn jemand einen Krieg vom Zaun brechen wollte, den man nicht herbeizuführen konnte ohne (eigene) Opfer und ohne den Empörungsschrei der eigenen Bevölkerung. Der moralische Druck der westlichen Welt wäre so gross gewesen, dass die gesichert rechtsextreme Bibi-Regierung nicht mehr zu halten gewesen wäre. Was für ein Fiasko für Trump und seine Entourage, für Merz, von der Leyen und Konsorten!

Leider funktioniert unsere Welt nicht so, wie sie sollte. Der Journalismus der grossen Verlage dient nur solange der sachlichen Information, wie die Sache den Interessen der Macht dient. Wo dies nicht der Fall ist, werden wir mit Halbwahrheiten, mit Fake-news oder oder Unterschlagungen von Fakten und mit verordneten Sprachregelungen abgespiesen. Zu all dem zählen auch bewusst gestaltete und verbreitete Gegenbilder zur Wahrheit – die Narrative.

Was ist ein Narrativ? Es ist – wie der antike Mythos – die Erklärung eines Tatbestandes mittels einer Erzählung, meist so bildhaft, dass wir sie wie einen Film wahrnehmen können. Aber während der Mythos sagt: ich erkläre euch die Vergangenheit auf eingängige Art und Weise, sagt das Narrativ: ich erkläre euch die Gegenwart, und zwar ebenso simpel. Das Narrativ setzt dem Hintersten und Letzten unmissverständlich auseinander, wie das Unheil gekommen ist, in dem wir stehen. Und welche Katastrophen uns erwarten, wenn wir nicht auf das hören, was den Interessen der Macht dient.

Das politische Narrativ ist seinem Gehalt nach negativ, weil es seine Aufgabe ist, Angst zu machen. Es wirbt dafür, dass sie Bevölkerungen eine belastete Zukunft akzeptieren, weil ohne die angesagten (unguten) Massnahmen alles nur noch schlimmer käme. Nach dem Muster: In dieser schwierigen Situation müssen wir alle den Gürtel enger schnallen. Wenn die Eltern nicht bereit sind, ihre Söhne zu Opfern, ist die Demokratie verloren.

Klopfen wir die heute kursierenden Narrative auf ihre Tendenz ab, so ergibt sich die erschütternde Einsicht, dass das Narrativ das Instrument des gouvernementalen Angst-Managements ist Überall dienen die Narrative (unabhängig vom Wahrheitsgehalt, welcher der jeweiligen Erzählung innewohnt), der Pflege der Angst, damit die Leute bereit sind zusammenzustehen und noch mehr Anstrengungen in die Vermeidung von Katastrophenszenarien zu investieren. Das ist das Geld, das ihnen dann in ihrer Rente fehlt.

Beispiele? Die Klimaerwärmung macht die Erde unbewohnbar. Putin hat aus reinem imperialen Streben die Ukraine angegriffen. Putin wird in zwei oder fünf Jahren vor Hamburg stehen. Wir begehen keinen Völkermord, wir zerstören nur die Hamas, denn diese wird uns alle umbringen. Die AfD ist gesichert rechtsextrem und will bestens integrierte Mitbewohner ausschaffen. Etc. etc.

Glaubt von alledem kein Wort. An all diesen Narrativen ist nix dran ausser den Interessen derjenigen, die sie erzählen. In Zeiten des Krieges – und in solchen leben wir – sind es die Shareholder der Waffenindustrie. Ist es BlackRock, das die Bodenschätze der Ukraine aufkauft und das die grössten Anteile an allen Rüstungsfirmen besitzt. Ist es eine Politik, die Grossisrael anstrebt und dabei vor keinem Völkermord zurückschreckt. Lasst euch keine Angst machen von den Lügen, die man euch auftischt. Und wenn doch, dann habt nur Angst vor denjenigen, die die Ängste schüren.

 
 
 

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