Gerade noch rechtzeitig vor der Verkündigung der österlichen Frohbotschaft Urbi et Orbi machte Papst Franziskus I. klar: Liebesgebot hin oder her, aber dass der Segen grad für alle gelte, sei natürlich schon nicht die Meinung… Am vergangenen Montag, exakt eine Woche vor dem Auferstehungstag, stimmte er der Veröffentlichung einer Botschaft der Glaubens-kongregation zu, einer sogenannten «Responsum ad dubium» (Antwort auf einen Zweifel), wonach es der katholischen Kirche nicht möglich sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Damit fuhren sowohl das oberste Glaubensgericht – quasi die Ayatollahs des Katholizismus – wie der Pontifex maximus jenen Priestern innerhalb ihrer Kirche in die Parade, die in Erwägung gezogen hatten, Beziehungen zwischen Personen gleichen Geschlechts zu segnen.
Um eine theologische Begründung, das von ihnen befürchtete Sodom und Gomorrha abzuwenden, waren die Glaubensverdreher der Kongregation noch nie verlegen. Diesmal lautet sie: Segnungen menschlicher Beziehungen sind nur möglich, wenn damit den Plänen Gottes gedient wird. «Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis ausserhalb der Ehe einschliessen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist.» Daraus dürfen wir wohl schliessen, dass die vielen gesegneten Autos, die Strassen und die Waffen, als die Kirche jederzeit willfährig das Weihrauchfass schwenkte, zweifelsfrei den Plänen des Herrn entsprochen haben. Auch die ganze Tierwelt, die wir uns entsprechend dessen Schöpfungskonzept untertan machten, alles, was kreucht und fleucht, kriegt den Segen ab, Hund, Katzen und Kanarienvögel, aber nicht die Beziehungen unter Schwulen und Lesben. Was für ein Gott soll das sein, bitteschön, dem das wohlgefällig ist?
Die Schreibtischtäter der Glaubenskongregation sind die würdigen Nachfolger ihrer Vorgänger, der Heiligen Inquisition. Man kommt nicht umhin anzunehmen: Wenn es den Scheiterhaufen noch gäbe, sie würden nicht zögern ihn anzufachen. Was für ein Ungeist reitet diese Grossmeister des Dogmatismus? Wer berechtigt sie zur Anmassung, sie seien die gerechten Sachwalter der «Pläne Gottes»? Woher nehmen sie die Chuzpe, den Daumen zu heben oder zu senken? Und was ist das für ein Papst, der sich (obwohl Jesuit) mit dem Namen Franziskus das Programm gegeben hat, für die Menschen da zu sein, dass er die Bigotterie solcher Verlautbarungen nicht durchschaut? (Wahrscheinlich ist aber eher, dass Franziskus sehr wohl den Durchblick hat, sich der totalitären Gewalt aber trotzdem beugt. Wir erinnern uns: Er ist derselbe, der während der argentinischen Militärdiktatur als damaliger Chef des Jesuitenordens vor der Junta kuschte, die 30'000 Menschen ermordete. Jetzt kuscht er vor der Macht in seinem eigenen Palast.) Und wie verkrustet müssen die Strukturen der Kurie sein, dass der gute Wille des obersten Brückenbauers an ihnen einfach zerschellt? Haben diese Apparatschiks im Vatikan noch ein geringstes Gespür dafür, dass sie eigentlich nicht dem Erhalt eines Machtapparates verpflichtet wären, sondern der Idee des Christentums?
Zwei historisch-dogmatische Entscheidungen der Papstkirche haben dazu geführt, dass sie sich quasi selbst in Geiselhaft genommen hat und daraus nicht mehr entfliehen kann. Der erste geht auf das Konfessionelle Zeitalter zurück (Reformation und Gegenreformation im 16. Jahrhundert), als das Konzil von Trient (1545-1563) dem luther’schen «Sola verbum!» (nur das Bibelwort ist die Quelle der Erkenntnis) mit dem Dogma entgegentrat, nebst dem Text der Evangelien hätte die katholische Tradition gleich grossen Wahrheitsgehalt. Das bedeutet nichts anderes als: Als wahr gilt bis heute nicht nur, was in der Bibel steht, sondern ebenso alles, was wir immer gemacht haben, weil wir es immer gemacht haben – von der Heiligenverehrung über den Reliquienkult bis hin zum Glauben an die unbefleckte Empfängnis. Eine sehr spezielle Logik!
Das zweite Dogma mit wegweisenden Konsequenzen ist ein politischer Entscheid des 1. Vatikanischen Konzils von 1871. Papst Pius IX., überfordert von allen technischen und sozialen Entwicklungen und insbesondere vom Materialismus des Industriezeitalters, gelang es, der Kirchenversammlung den Entscheid abzuringen, dass der Papst unfehlbar sei, wenn er «ex cathedra» spreche, das heisst: als «Lehrer aller Christen». Er hielt das für einen geschickten Schachzug, aber es war der fatalst mögliche. Wie soll seither ein Papst auf einen Entscheid eines Vorgängers zurückkommen, ohne die Fehlbarkeit des Unfehlbarkeits-dogmas einzugestehen? Seither dreht und windet sich die Lehrmeinung der Kurie in ihren dogmatischen Verstrickungen und findet keinen Ausweg. Alle begrifflichen Spitzfindigkeiten der Glaubenskongregation verschaffen ihr nicht Luft, sondern schnüren sie nur noch enger ein.
Mit der zentralen Idee des Christentums, der Nächstenliebe, hat das ebenso wenig zu tun wie mit der Lebenswelt aller Christinnen und Christen. Was in Rom verkündet wird, ist Hohn und Spott auf beides. Wer im Ernst glaubhaft machen will, das Segnen von Waffen sei mit dem Plan Gottes eher vereinbar als der Segen für Beziehungen gleichgeschlechtlicher Paare (und dazu noch behauptet, man diskriminiere niemanden), hat sein Recht verwirkt, selbst ernst genommen zu werden. Tröstlich ist nur, dass sich das Problem mit dem fröhlichen Ostermarsch der katholischen Kirche in die Selbstabschaffung nach und nach ganz von alleine ergeben wird.
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