Markus Melzl: «Fremde Händel in der Schweiz unerwünscht» (BaZ vom 11.11.2019)
Dass die Basler Zeitung immer in der Montagsausgabe verschiedenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens das Wort überlässt, ist zweifelsfrei zu begrüssen – ebenso, dass dabei ein breites Meinungs-spektrum zum Ausdruck kommen soll. Aber immerhin sollte dieses durch die Grenzen definiert sein, die unsere Verfassungen setzen. Leider aber werden diese Schranken nicht immer respektiert. Was Markus Melzl, gewesener Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, unter dem Alibi von Meinungsfreiheit veröffentlichen darf, sollte in einer Zeitung nicht unwidersprochen geduldet werden, die sich auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit wähnt.
Herrn Melzl wäre ein Anfängerkurs in praktischer Demokratie dringend zu empfehlen. Ein solcher könnte u.a. Grundlagen zu folgenden Themen vermitteln: (1) Basiswissen Geschichte. Dort würde Herr Melzl lernen, dass Salvador Allende kein «sozialistisch-marxistischer Präsident» war, der sich «das Leben nahm», sondern ein demokratisch gewählter Präsident, der durch einen von der CIA organisierten und von amerikanischen Konzernen (ITT, Kennecott Copper Corp.) finanzierten Putsch gestürzt wurde und in den Selbsttod getrieben, um den Folterknechten Pinochets zu entgehen. (2) Unter der Rubrik Politische Rhetorik könnte Herrn Melzl beigebracht werden, dass er sich selbst durch die euphemistische Verharmlosung («militärische Aktion») von völkerrechtswidriger, kriegerischer Aggression (aktuell durch die Türkei in Nordsyrien) auf die Seite eines faschistoiden Regimes stellt. (3) Schliesslich wäre im Kapitel Politische Rechte zu vermitteln, dass Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit in demokratischen Gesellschaften unabdingbare Rechte sind, deren Beschneidung das Ende der Demokratie selbst zur Folge hätte.
Herrn Melzl müsste schliesslich begreiflich gemacht werden, dass die Teilnahme an einer Demonstration gegen die Unterminierung des Rechtsstaats – ob in der Türkei, in Chile oder in der Schweiz – nicht bedeutet, «fremde Händel» zu uns zu tragen, sondern Ausdruck supranationaler Solidarität, egal, ob die Demo direkte Wirkung nach sich ziehe oder nicht. Und wenn deren Teilnehmer (in der Schweiz!) von Geheimdiensten registriert und observiert werden, dann sollte es für Herr Melzl, als gewesenem Kriminalkommissar, eigentlich einsichtig sein, dass gegen diese Geheimdienste vorgegangen werden müsste und nicht gegen die Demonstranten. Aber diese Zusammenhänge scheinen noch etwas hoch gegriffen; die kommen dann erst im Fortgeschrittenenkurs.
«Freiheit ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden». Dieser Satz gilt auch für Markus Melzl, auch wenn er von Rosa Luxemburg stammt.
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